Zur Person
Zur Person
Hans Kelsen wurde am 11. Oktober 1881 in Prag als Sohn einer deutschsprachigen jüdischen Familie geboren (Gedenktafel am Kaufhaus Tesco, Ecke Narodni Trida und Spalena im 1. Prager Bezirk). Sein Vater Adolf Kelsen (1850-1907) stammte aus Brody in Galizien (heutige Ukraine), seine Mutter Auguste Löwy (1860-1950) aus Neuhaus in Böhmen (heutiges Tschechien). Schon 1885 zog die Familie nach Wien, wo Adolf Kelsen eine kleine Lampenfabrik gründete.
Kelsen war religiös indifferent: Weder sein Eintritt in die römisch-katholische Kirche 1905 noch sein Eintritt in die evangelische Kirche A.B. 1912 waren religiös motiviert. Die Anpassung in Glaubensfragen war im damaligen Österreich vielmehr ein Schritt zu zweckmäßiger Assimilation. Das gesamte wissenschaftliche Werk Kelsens zeigt durchgehend kritische Akzente, die Kelsen zwanglos als Agnostiker ausweisen. In politischer Hinsicht bekannte sich Kelsen zur Demokratie und zum Liberalismus, ohne jedoch seine persönlichen Bekenntnisse als Erkenntnisse ausgeben zu wollen.
Kelsen maturierte 1900 am angsehenen Akademischen Gymnasium Wien, absolvierte anschließend seine Wehrpflicht und wandte sich danach - eher aus Vernunft denn aus Neigung - dem juristischen Studium an der Wiener Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät zu, das er 1906 mit der Promotion zum Doktor iuris abschloss. Nach Studienaufenhalten in Heidelberg (1907/08 und 1908/09), wo er unter anderem am Seminar des führenden Staatsrechtsgelehrten Georg Jellinek (1851-1911) teilnahm, und Berlin (1910/11) sowie verschiedenen juristischen Berufstätigkeiten, insbesondere auch als Dozent an der Exportakademie (der jetzigen Wirtschaftsuniversität Wien), habilitierte er sich 1911 für Staatsrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Wien.
1912 heiratete Kelsen Margarete Bondi (1890-1973); das Paar bezog eine Wohnung in der Wickenburggasse 23, im achten Wiener Gemeindebezirk. Der Ehe entstammten zwei Töchter: Anna Oestreicher (1914-2001) und Maria Feder (1915-1994), die Kelsen mit den Enkelkindern Dr. Anne Feder-Lee (*1944) und Adam Oestreicher (*1947) zum zweifachen Großvater machten.
Vor seiner wissenschaftlichen Karriere wurde Kelsen von 1914 bis 1918 zum Kriegsdienst eingezogen, den er u.a. in der Funktion eines Rechtsberaters des Kriegsministers verbrachte. 1918 wurde Kelsen außerordentlicher und ein Jahr später ordentlicher Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien; im Studienjahr 1920/21 war er überdies Dekan. Parallel dazu war Kelsen von 1918 bis 1921 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Staatskanzlei (ab 1920: Bundeskanzleramt) tätig. Seine Hauptaufgabe war hierbei die Ausarbeitung einer definitiven Verfassung Österreichs. Kelsen wurde damit ein wichtiger wie unvergessener Mitgestalter des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920, der im Kern bis heute geltenden "Verfassung Österreichs". Ferner war Kelsen von 1919 bis 1930 nebenamtlich als Richter am Verfassungsgerichtshof tätig.
Anfeindungen an der Universität, vor allem aber seine Abberufung vom Amt des Verfassungsrichters durch ein besonderes Bundesverfassungsgesetz, führten dazu, dass er 1930 Wien und Österreich verließ und eine Berufung an die Universität Köln annahm. Dort las er insbesondere Völkerrecht und wurde für das Studienjahr 1932/33 zum Dekan gewählt. Nach der NS-Machtübergreifung wurde er im April 1933 gezwungen, als Dekan zurückzutreten, als Professor beurlaubt und mit Ende des Jahres ganz in den Ruhestand versetzt. Die ihm aus seiner über dreißigjährigen Berufstätigkeit zustehenden Pensionszahlungen wurden Kelsen verweigert. Nur mit viel Glück gelang der Familie die Flucht aus Deutschland; Kelsen nahm nun eine befristete Lehrtätigkeit im Genf am "Institut Universitaire des Hautes Etudes Internationales" an.
1936 wurde er an die Deutsche Universität Prag berufen, musste seine dortige Tätigkeit abermals, diesmal jedoch schon nach drei Semestern, aufgrund der politischen Entwicklungen aufgeben, weshalb er 1938 nach Genf zurückkehrte. 1940 emigrierte Kelsen sodann gemeinsam mit seiner Frau in die USA. Dort konnte er zunächst nur befristete Lehrtätigkeiten wahrnehmen, zuerst an der Havard Law School (1940-1942), dann am Political Science Department der University of California in Berkeley. Einige Jahre später, 1945, wurde er zum "full professor" der University of California ernannt und erlangte die US-Staatsbürgerschaft. Nach seiner Emeritierung 1952 nahm er Gastprofessuren in Genf und am Naval War College in Rhode Island wahr. Im Rahmen eines "Wiedergutmachungsverfahrens" wurden Kelsen 1953 auch an der Universität Köln rehabilitiert und zugleich emeritiert.
Drei Honorarprofessuren (Wien, Rio de Janeiro, Mexico), zwölf Ehrendoktorate (Utrecht, Havard, Chicago, Mexico, Berkeley, Salamanca, Berlin, Wien, New School of Social Research New York, Paris, Salzburg, Strasbourg) und mehrere Festschriften würdigten seine Verdienste. Aus Anlass seines 90. Geburtstages errichtete die Republik Österreich zur Pflege seines wissenschaftlichen Werkes eine Stiftung ein, das Hans-Kelsen-Institut in Wien, das seither auch international tätig ist.
Hans Kelsen starb am 19. April 1973 in Orinda, einem kleinen Ort in der Nähe von Berkeley; seinem Wunsch und dem seiner vorverstorbenen Gattin entsprechend wurden beide eingeäschert und über dem Pazifik verstreut.